Der Bundesgerichtshof hat in einer aufsehenerregenden Entscheidung darauf hingewiesen, daß medizinische Sachverständigen-Gutachten kritisch zu würdigen sind. Das hat sich vielfach zu Provinzgerichten noch nicht herumgesprochen, die gerne medizinische Gutachten "wie ein Ergebnis höherer Weisheit" übernehmen.
Es gibt nur deshalb so viele „Halbgötter in Weiß“, weil es so viele „Esel in Schwarz“ gibt. Juristen tun gerne so, als hätten sie geradewegs das Schießpulver erfunden. Dabei tummeln sich in keinem Berufsstand so viele lebensfremde „Einfaltspinsel“ wie bei den Juristen.
Das gilt insbesondere bei Verfahren um ärztliche Behandlungsfehler. Diese werden in der Regel durch medizinische Sachverständigen-Gutachten entschieden. Juristen übernehmen dabei nicht selten selbst die abwegigsten Gefälligkeits-Gutachten zur Entlastung ärztlicher Kollegen wie ein Ergebnis höherer Weisheit und machen sie zur Grundlage juristischer Entscheidungen. Das ist so einfach und bequem! Allerdings wird dadurch von den „Eseln in Schwarz“ schreiendes Unrecht mit dem Schein des Rechts versehen.
Der Gipfel der Borniertheit der „Schwarzkittel“ besteht aber darin, daß sich Juristen über Zustände beklagen, die sie selbst erst durch richterliche Willkür ohne Rechtsgrundlage geschaffen haben: die Wertung des ärztlichen Heileingriffs als Körperverletzung - vom früheren Reichgericht konzipiert und bis heute tradiert - treibt die Ärzte auf die Barrikaden. Deshalb sind sie nicht bereit, ärztliche Kollegen an diese Justiz auszuliefern und unterlaufen die Rechtsprechung durch Gefälligkeits-Gutachten. Zugleich wird jeder Arzt, der objektive Gutachten erstattet, zum Außenseiter und als „Nestbeschmutzer“ gnadenlos bekämpft.
Statt nun diese absurde Rechtsprechung zu ändern und damit die wesentliche Ursache der Gefälligkeits-Gutachterei zu beseitigen, gefällt sich der Bundesgerichtshof (BGH) - die Fortsetzung des früheren Reichsgerichts - darin, darüber zu lamentieren,
„ ... daß auch heute noch eine nicht geringe Zahl medizinischer Gutachter Schwierigkeiten hat, sich bei der Ausübung ihres Amtes von überholten und in diesem Zusammenhang der Rechtsordnung widersprechenden Standesregeln freizumachen. Das gilt vor allem im Kunstfehlerprozeß. ... “ (BGH-Urteil vom 22. April 1975, - VI ZR 50/74 (Braunschweig), NJW 1975, Heft 32, S. 1463 ff., Zitat auf S. 1464, und re. Spalte o., Nr. 2 a)Zwar hat der Bundesgerichtshof (BGH) hier in einem lichten Moment das Ergebnis seiner absurden Rechtsprechung erkannt, ist aber nicht in der Lage zu begreifen, daß die Ursache dafür in seiner eigenen Spruchpraxis liegt. Auch ist die Empfehlung des Bundesgerichtshofes, der wie folgt fortfährt, wenig hilfreich:
„ ... Das bedeutet nicht, daß deshalb einem solchen Gutachten grundsätzlich zu mißtrauen wäre. Wohl aber hat der Richter sorgfältig auf Anzeichen einer hieraus möglicherweise entspringenden - gewiß häufig nicht bewußten - Voreingenommenheit des Gutachters zu achten, und kann deshalb, soweit er sich daran nicht durch mangelnde eigene Sachkunde gehindert sehen muß, vor allem auch Urteile des Gutachters, die notwendig auf subjektiver Wertung beruhen, durch eigene korrigieren oder ersetzen. ... “Ein Richter wird sich in aller Regel mangels eigener Sachkunde daran gehindert sehen, das Votum eines medizinischen Sachverständigen zu korrigieren. Die Ausführungen des Bundesgerichtshofes sind folglich lebensfremd und nicht geeignet, das Problem der Gefälligkeitsgutachterei zu lösen. Abgesehen von der dringend erforderlichen Änderung der Rechtsprechung könnte dieses Problem allerdings ganz einfach dadurch gelöst werden, daß dem Gutachter aufgegeben wird, jede entscheidungserhebliche Aussage durch Kopie aus der einschlägigen medizinischen Fachliteratur zu belegen. Dies würde Gefälligkeitsaussagen gegen die medizinische Fachliteratur bereits vom Ansatz her unmöglich machen.
Schlichte Literaturangaben aus der einschlägigen medizinischen Fachliteratur sind unzureichend. Wir sehen nämlich immer wieder, daß medizinische Sachverständige am Ende ihres Gutachtens eine beeindruckende Literaturliste anführen, auf welche die „Esel in Schwarz“ ohne jegliche Prüfung hereinfallen. Das sieht so überzeugend und wissenschaftlich aus! Prüft man jedoch die Literaturangaben nach, stellt man häufig fest, daß in der angegebenen Literatur genau das Gegenteil dessen steht, was der Gutachter behauptet. Deshalb sind Kopien der Fachliteratur unerläßlich, um derartige Manipulationen zu unterbinden.
Geschädigte Patienten erleben bei dem Versuch, Ansprüche durchzusetzen, nicht nur infame Gefälligkeits-Gutachter sondern auch unfähige Rechtsanwälte, deren größter Eifer im Eintreiben der Honorare besteht, voreingenommene Richter, die ihre Unabhängigkeit auch gegenüber Recht und Gesetz unter Beweis stellen sowie unwillige Staatsanwälte, die sich aufführen wie der berühmte Jagdhund, den man zur Jagd tragen muß. Die Patienten werden dadurch um ihr Recht gebracht und haben deshalb nach „Kunstfehler“-Prozessen oft nicht nur das Vertrauen in die Medizin, sondern auch in die Justiz verloren.
Patienten erfahren diese patientenfeindliche Justiz eher als Honoratioren-Schutzverein denn als rechtsstaatliche Institution. Aus dem berüchtigten „Krähenkomment“ unter Ärzten wird so nicht selten ein „Akademiker-Beistandspakt“ zwischen Medizin und Justiz zu Lasten geschädigter Patienten. Das gilt insbesondere beim Beziehungsgeflecht in der Provinz: Mediziner und Juristen kennen sich häufig persönlich und Freundschaften sind über den Golf- oder Lions-Club, über den Tennis-Verein oder politische Parteien entstanden. Welcher Jurist wollte da die Ärzte allzu heftig verfolgen, zumal auch Juristen gelegentlich krank werden und sodann auf ärztliche Hilfe vor Ort angewiesen sind.
Durch diese Art der „Rechtsprechung“ werden schließlich die Mißstände unseres Medizinbetriebs, die überwiegend Ursache von Behandlungsfehlern sind, verschleiert und aufrechterhalten. Die Justiz im allgemeinen und die Anwaltschaft im besonderen sind in weiten Bereichen unseres gesellschaftlichen Lebens die größte Gefahr für die Gerechtigkeit und - gemessen an ihrem Anspruch - vielfach die korruptesten Institutionen. Die Rechtssuchenden erhalten oft keine Gerechtigkeit sondern absurde Urteile. Das gilt insbesondere bei Verfahren um ärztliche Behandlungsfehler. Die Mißstände im Medizinbetrieb sind zwar gravierend, im Justizapparat aber noch weitaus schlimmer. Bei jedem, der die deutsche Justiz kennt, genießt sie kein Ansehen und wer sie nicht kennt, der hat Illusionen.
Die Kunstfehlerproblematik ist folglich im Kern ein Problem unserer Rechtsprechung. Daraus resultieren sowohl die Schwierigkeiten im Verfahren um ärztliche Behandlungsfehler als auch in der Konsequenz die Mißstände im Medizinbetrieb. Wir erheben deshalb insoweit folgende rechtspolitische Forderungen:
- Änderung der Rechtssprechung des BGH. Die Wertung des ärztlichen Heileingriffs durch die höchstrichterliche Rechtsprechung als „Körperverletzung“ wird von den Ärzten zu recht (!) als Provokation empfunden und hat zum Schulterschluß der Ärzteschaft gegen die Justiz und in der Folge zu den o.a. Gefälligkeits-Gutachten geführt, durch welche die Ärzte ihre fehlerhaft handelnden Kollegen der Justiz entziehen. Die juristische Wertung des Heileingriffs ist auch unsachgemäß und unnötig verletzend. Etwa genauso „sinnvoll“ wäre es, die Tätigkeit der Richter grundsätzlich als Rechtsbeugung und die der Anwälte als Betrug zu definieren und von den „Schwarzkitteln“ sodann Rechtfertigungsgründe für ihr Tun zu fordern.
- Reform des Arbeitsrechts. Das Arbeitsrecht ist besonders reaktionär und autoritär. Von Angestellten wird beispielsweise erwartet, daß sie selbst „kleinere Gaunereien“ ihres Dienstherren gegenüber Dritten hinnehmen und kaschieren. Es gibt Rechtsfiguren wie die „Druckkündigung“: erklärt eine Mehrheit der Mitarbeiter, daß sie mit einem Kollegen nicht mehr zusammenarbeiten könne, darf diesem auch ohne rechtfertigenden Grund gekündigt werden. Das ist bei kritischen Ärzten, die Kunstfehler ärztlicher Kollegen nachweisen und damit als „Nestbeschmutzer“ und „Verräter“ gelten, schnell der Fall. Darüberhinaus kann ein Arzt beim Streit über Behandlungsfehler die Berechtigung seiner Kritik nicht zeitgerecht nachweisen, da arbeitsgerichtliche Entscheidungen rasch ergehen, die „Kunstfehler“-Prozesse sich aber über Jahre hinziehen – die längsten haben mehr als 20 Jahre gedauert. Die Juristen liquidieren auf diese Weise die Existenzgrundlage kritischer Ärzte – und lamentieren dann über das Standesdenken der Ärzte und die daraus resultierenden Gefälligkeits-Gutachten.
- Durchsetzung der EU-Richtlinie. Der Arzt übt eine Dienstleistung höherer Art aus. Er kennt den medizinischen Sachverhalt bei einer ärztlichen Behandlung in aller Regel besser als der Patient. In der EU-Richtlinie für Beweisregeln bei Dienstleistungen war deshalb vorgesehen, auch dem Arzt beim Streit über Behandlungsfehler die Beweislast für korrektes Vorgehen aufzuerlegen. Die übermächtige Lobby der ärztlichen Standesfunktionäre in Brüssel konnte diese Regelung für den medizinischen Bereich aber kippen. Alles blieb deshalb bisher bei der Beweislast beim alten.
- Beseitigung des Anwaltsmonopols. Die Anwälte haben in Bezug auf Vertretung (§ 78 ZPO) und Beratung (Rechtsberatungsgesetz) ein Monopol, das grundgesetzwidrig ist, denn unsere Verfassung geht von einem mündigen Bürger aus, der hier entmündigt wird, weil er sich von einem RA vertreten lassen muß. Diese Regelung ist in der vorliegenden Form auch weltweit einmalig. Im britischen Rechtssystem können sich die Staatsbürger vor Gericht durchgängig selbst vertreten. Das Anwaltsmonopol hat dazu geführt, daß sich eine arrogante anwaltliche Funktionärskaste etabliert hat, die ihre Privilegien auf Kosten der Mandanten verteidigt.
- Erfolgshonorar für Anwälte. Dem deutschen Anwalt ist praktisch immer das Honorar sicher. Es kann ihn deshalb gleichgültig sein, ob der Mandant das Verfahren gewinnt oder verliert. Das Engagement deutscher Anwälte ist auch danach. In anderen Ländern wie den USA dagegen kann der Anwalt auch nach Erfolgshonorar arbeiten. Die guten US-Anwälte arbeiten in aller Regel nach Erfolgshonorar - mit durchschlagendem Erfolg für ihre Mandanten.
- Auflösung der Anwaltskammern. In unserer rund 30-jährigen Tätigkeit haben wir selbst bei extremem anwaltlichen Fehlverhalten wie bei Rechtsanwalt Dammholz alias „Graf von Lusi“ nie erlebt, daß die Anwaltskammern zeitgerecht zum Schutz der Bevölkerung gegen kriminelle Anwälte vorgegangen sind. Diese Kammern verhalten sich folglich wie Anwaltsschutz-Vereine und verlieren dadurch jegliche Existenzberechtigung als Körperschaft des öffentlichen Rechts. Sie prüfen auch bei ihren Empfehlungen von „Patientenanwälten“ nicht deren Qualität und täuschen dadurch die Öffentlichkeit, die natürlich von geprüften Empfehlungen ausgeht.
- Verbot jeglicher entgeltlichen richterlichen Nebentätigkeit. Der Bevölkerung ist nicht bekannt, daß bis zur Hälfte der Richter Nebentätigkeiten u.a. als Treuhänder, Prüfer oder Gutachter ausüben, obwohl sie über angebliche Arbeitsüberlastung jammern. Diese Nebentätigkeiten sind nicht selten äußerst lukrativ. Bekanntestes Beispiel ist der - wie die Presse titelte - „Raffke-Richter“ Horst Henrichs vom OLG Frankfurt/Main, der sich als höchster Richter Hessens ein Gutachten in Millionenhöhe vergüten ließ – zusätzlich zum üppigen Gehalt, versteht sich. Meist wissen die Rechtssuchenden auch nichts von der jeweiligen richterlichen Nebentätigkeit, so daß beispielsweise der durch Nebentätigkeit befangene Richter sodann Prozesse zum Nachteil eines Rechtssuchenden entscheiden kann, ohne daß dieser mangels Kenntnis der richterlichen Nebentätigkeit die Möglichkeit hat, den Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen.
- Einführung des Ermittlungsrichters. Die Ermittlungstätigkeit ausschließlich durch weisungsgebundene Staatsanwaltsanwälte ist ein Skandal und ein Schlag ins Gesicht der Gerechtigkeit und der Gewaltentrennung. Staat und Staatsfunktionäre haben auf diese Weise die Möglichkeit, die Rechtsprechung zu manipulieren. Die Gewaltentrennung war eine Grundforderung der französischen Revolution von 1789, um der Willkür entgegenzuwirken, wie sie im Absolutismus üblich war. Selbst 200 Jahre später ist in Deutschland ein derartiges absolutistisches Relikt und Privileg der Staatsfunktionäre noch nicht abgeschafft worden. Deshalb sind hierzulande auch Ermittlungsrichter wie der Spanier Garcon oder der Italiener Falcone, die gegen kriminelle Spitzenpolitiker mit harten Bandagen vorgingen, undenkbar.
- Einrichtung einer Forschungsstiftung für Justiz- und Anwaltsschäden. Die Juristen sind der Berufsstand, der traditionell die größte Hochachtung vor sich selbst hat; anders ausgedrückt, es gibt keine andere Kaste, die derartig im Standesdenken befangen ist und vom Standesdünkel geplagt wird. Jede Kritik wird als Angriff auf den Rechtsstaat hingestellt und/oder als Beleidigung verfolgt. Hier könnte eine Forschungsstiftung die von Juristen angerichteten Schäden aufzeigen, Abhilfe schaffen und deutlich machen, daß keine andere Institution - gemessen an ihrem Anspruch - derartig korrupt, verludert und verlottert ist wie die deutsche Justiz im allgemeinen und die deutsche Anwaltschaft im besonderen.
- Kritische Wissenschaft an die Universitäten. Bereits während der Ausbildung muß den Juristen vermittelt werden, daß die Justiz gravierende Mängel aufweist. Es existiert eine umfangreiche justizkritische Literatur – auch von kompetenten Juristen selbst. Gerade die besten Anwälte und Richter sind sich über die Mängel unseres Justizapparates durchaus im klaren. Die positiven Kräfte innerhalb der Rechtsprechung haben sich mit Reformvorschlägen bisher aber nicht durchsetzen können, so daß es durch die Konservierung der Mißstände in der Justiz zu einem zunehmenden Ansehensverlust der Rechtsprechung gekommen ist. Es haben nur noch 28 % der Bevölkerung volles Vertrauen in die Justiz (Imas-Institut, München 1991).