Warum die Opfer ärztlicher Kunstfehler
immer häufiger Recht bekommenDie Sendung »Ratgeber: Gesundheit«
- ein brandaktuelles Thema unserer Zeit
Für mehr als 10.000 Patienten hat sich der Allgemeine Patienten-Verband in den letzten Jahren eingesetzt, hat Ihre Fälle geprüft, ärztliche Gutachter gesucht, die ihre Ansprüche beweisen, und sachkundige Anwälte, die für das Recht der Geschädigten eintreten. Die Zeiten, da die Patienten mit Händen an der Hosennaht im Krankenhausbett lagen und die Ärzte für Halbgötter hielten, sind vorbei. Immer mehr Patienten nehmen ärztliche Kunstfehler nicht mehr stillschweigend hin.
Aber auch die Zeiten, in denen Rechtsanwälte meinten, sie müßten nun jeden Arzt, dem ein Fehler unterlief, sofort anklagen, werden allmählich überwunden. Denn Ärzte, die wegen eines Kunstfehlers gleich vors Strafgericht gestellt und wie Verbrecher angeklagt wurden, empfanden das als ungeheuerlich, und viele andere Ärzte fühlten mit ihnen. Daher war es fast unmöglich, ein ärztliches Gutachten gegen einen Kollegen aufzutreiben. Heute hat sich das geändert.
FERNSEHWOCHE hat mit Vertretern des Allgemeinen Patienten-Verbandes, mit Ärzten / Gutachtern und Rechtsanwälten, die im Patientenrecht viel Erfahrung haben, gesprochen. Ihre übereinstimmende Meinung ist die: ,,Es geht heute nicht mehr darum, Ärzte vor die Schranken des Strafgerichts zu zerren. Kunstfehler, so tragisch ihre Auswirkungen im Einzelfall sind, kommen vor, so wie Unfälle im Straßenverkehr. Deshalb sollte man sich bemühen, das Verhältnis zwischen Ärzten und Patienten zu entkrampfen." Daher gehen die Anwälte auch nur im Extremfall - wenn es gilt, schreiende Mißstände anzuprangern und abzustellen - vors Strafgericht. Denn dort ist die Beweisführung schwierig, und die Patienten kommen nur selten zu ihrem Recht. Vor dem Zivilgericht dagegen ist die Beweisführung einfacher, und die Geschädigten kommen dabei wenigstens zu ihrem Geld.
Häufig versuchen die Anwälte auch, den Streit außergerichtlich zu regeln.
Den Weg der Einigung und des Kompromisses zu finden, dabei will auch der Allgemeine Patienten-Verband den Opfern helfen. Oft gelingt es, die Patienten für ihre Schmerzen und ihren Schaden doch wenigstens mit Geld zu entschädigen.
Hierfür nur drei Beispiele: Einer Frau war in Frankfurt bei einer Operation versehentlich die Verbindung zwischen Galle und Leber durchgeschnitten worden. Literweise sickerte Gallenflüssigkeit aus der Wunde. Täglich fünfmal mußte sie sich von ihrem Mann mit Binden umwickeln lassen. Ein schlimmes Los, aber die Patientin bekam immerhin 200.000 Euro ausbezahlt.
In einem westfälischen Krankenhaus kam es bei einer scheinbar harmlosen Polypen-Operation zu einem zeitweiligen Herzstillstand. Die Patientin, eine Mutter von drei Kindern, ist seitdem geistig schwer beeinträchtigt, kann nur noch die einfachsten Arbeiten verrichten, der Ehemann lief ihr davon. 60.000 Euro Entschädigung bekam die Frau.
Und gleich eine halbe Million erhielt ein Straßenbahnschaffner aus Düsseldorf. Er hatte sich wegen Rückenschmerzen behandeln lassen, und der Arzt war so unvorsichtig vorgegangen, daß der Mann zeitlebens querschnittgelähmt ist. Zum Glück neigen die Gerichte dazu, Schmerzensgeld und Schadenersatz immer großzügiger zuzusprechen.
Die "Schallgrenze" der Entschädigungs-Zahlungen nach Behandlungsfehlern, die lange Zeit unter einer Million Euro lag, ist inzwischen auf über eine Million Euro vorgerückt: Die höchste Entschädigungszahlung nach Kunstfehlern liegt inzwischen bei mehr als 4 Millionen Euro.
Herbert Speckner
* Adresse geändert