Auf besonders grausame Weise wurde 1996 die 39-jährige, kerngesunde Sportlehrerin Ulrike Schmidt im Universitätsklinikum Marburg umgebracht. Die Patientin starb einen qualvollen Erstickungstod, weil ohne Notwendigkeit unter Ausschaltung der Atmung eine Vollnarkose vorgenommen und diese auch noch unsachgemäß durchgeführt worden war:
Der Beatmungs-Schlauch (Tubus), der in die Luftröhre eingeführt werden muß (Intubation), wurde irrtümlich in die Speiseröhre eingeführt und dadurch der Magen „beatmet“. Selbst als die Patientin durch den Sauerstoffmangel immer blauer (cyanotischer) wurde, erkannten die Ärzte den Fehler nicht, sondern nahmen die Zufuhr der Narkosegase zurück, so daß die Ausschaltung des Bewußtseins beim qualvollen Tod nicht mehr gewährleistet war.
Bei dem operativen Eingriff handelte es sich um eine rein diagnostische Bagatell-Operation (Kniespiegelung, Arthroskopie), die ohne weiteres auch in örtlicher Betäubung hätte durchgeführt werden können. Dann wäre der tödliche Geschehensablauf von vornherein verhindert worden. Im Universitätsklinikum Marburg wurden die Patienten jedoch entweder zur Vollnarkose überredet oder sogar - wie z.B. der Patient Paul Glock - dazu genötigt.
Nach dem Tod der Patientin wurde auf Anweisung des Chefarztes Prof. Lennartz deren Leichenschauschein gefälscht und „natürlicher Tod“ angegeben.
Es kam es nur deshalb schließlich zur Anklageerhebung und strafrechtlichen Verurteilung der schuldigen Ärzte, weil die Angehörigen Mitglieder unseres Verbandes wurden und wir nach akribischer Aufklärung des medizinischen Sachverhaltes jahrelang bundesweit die Öffentlichkeit informierten. Alle Massenmedien haben darüber berichtet. Angesichts des öffentlichen Interesses und des daraus resultierenden öffentlichen Drucks wagte es die Staatsanwaltschaft nicht, das sonst übliche „Verfahrensbegräbnis“ zu veranlassen.
Auch während dieses Verfahrens versuchten Gutachter, die Ärzte der Universitätsklinik durch nicht nur abwegige sondern geradezu absurde und abenteuerliche Behauptungen zu entlasten. So behauptete ein Gutachter, der Beatmungsschlauch (Tubus) hätte nicht fälschlich in der Speiseröhre liegen können, weil dann durch die irrtümliche Beatmung der Magen „geplatzt“ wäre. Die Lunge „platzt“ auch nicht bei der Beatmung, weil - wie bei einer fehlerhaften „Beatmung“ des Magens - das Volumen ein- und wieder ausgeatmet wird. Auch hier erfolgte trotz Anzeige keine Strafverfolgung des Gutachters wegen Falschaussage gem. § 278 StGB. Statt dessen verhielten sich Staatsanwaltschaft und Gericht gegenüber den Angehörigen der getöteten Patienten so unsensibel und unsachgemäß, daß die erbitterten Angehörigen in öffentlicher Gerichtsverhandlung erklärten, sie hätten den Eindruck, in einer „Bananenrepublik“ zu leben!
Nach 8 Jahren (!) Prozeßdauer durch alle Instanzen hinauf und hinunter kam es schließlich zum rechtskräftigen Strafurteil mit Bagatell-Strafen, die aus der „Portokasse“ bezahlt wurden: Der Chefarzt Prof. Lennartz wurde wegen Strafvereitelung verurteilt, weil auf seine Anweisung hin der Leichenschauschein gefälscht worden war. Er mußte nur 3 000.- € bezahlen. Wegen fahrlässiger Tötung wurde der Oberarzt Dr. Knoch mit 9 000.- € und der Assistenzarzt Dr. Reinhard-Eberhard mit 6 000.- € verurteilt. Die Verurteilung des Assistenzarztes erfolgte auf Bewährung. Da er während der Bewährungszeit straffrei blieb, mußte er letztlich nicht einmal diesen Betrag bezahlen.
Ein Patientenleben ist in Deutschland billig zu haben. Die Angehörigen hatten als Nebenkläger keine rechtlichen Möglichkeiten, gegen die Geringfügigkeit dieser Bagatell-„Strafen“ Rechtsmittel einzulegen. Die Marburger Staatsanwaltschaft, die diese Möglichkeit gehabt hätte, unterließ dies und verhielt sich auch insoweit wie der berühmte Jagdhund, den man zur Jagd tragen muß.